Vergangenheit trifft Zukunft beim Studium Generale „Im Kriege glänzend bewährt!“

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Am Mittwoch, 5 . Juli 2023, fand auf dem Campus Villingen-Schwenningen ein von Andreas Beier aus der Fachgruppe Politikwissenschaft der Fakultät IV und Caroline Wedler-Krebs aus der Fakultät I, Fachgruppe Führungswissenschaften, gemeinsam organisiertes Studium Generale statt. Der fürdie Veranstaltung gewonnene Referent, Michael Kuckenburg, war von Dezember 1966 bis April 1968 Angehöriger der 5. Hundertschaft in Göppingen. 

Zunächst erläuterte Herr Beier nach seiner Begrüßung einige Arbeitsbereiche der Polizeigeschichte an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg (HfPolBW), wie wissenschaftliche Abschlussarbeiten, Wahlmodule, Exkursionen, Ausstellungen, Kooperationen, usw. Er betonte, dass dabei das Erleben von Polizeigeschichte durch die Studierenden oder auch der Bürgerinnen und Bürger ein wesentlicher Aspekt ist.

beier1Herr Kuckenburg beschrieb anschließend seine eigenen Erlebnisse und wie die militaristische Berufssozialisation seiner Vorgesetzten die damaligen Ausbildungsinhalte und Umgangsformen entscheidend bestimmt hat. Man konnte nach der Ausbildung zwar korrekt marschieren und die Vorgesetzten grüßen, aber keinen Verkehrsunfall und keine Strafanzeige aufnehmen. Die von Herrn Kuckenburg gezeigten Originalfotos, wie etwa von jungen Polizisten in voller Kampfmontur bei Maschinengewehr-Schießübungen, und die Beschreibung der sich zugetragenen militärischen – vor allem lauten – Wortwechsel ermöglichten den Gästen ein gewisses Erleben von Polizeigeschichte. Die Ausbilder von Herrn Kuckenburg waren teilweise Angehörige von Polizei-Bataillonen, die im II. Weltkrieg für Tausende von Morden in den vom Deutschen Reich besetzten Gebieten verantwortlich waren. Dazu gehörte beispielsweise das Polizeibataillon 316, in dem Otto Bayer von 1941 bis 1943 Dienst verrichtete – Otto Bayer war in den 1960er Jahren bei der 5. Hundertschaft als Polizist der sogenannte „Spieß“.

Nach dem Vortrag von Herrn Kuckenburg wurde der Transfer auf die heutige individuelle polizeiliche Handlungsverantwortung erläutert, was ein Schwerpunkt der Führungswissenschaften im HfPolBW-Studium ist. Im Gegensatz zur Ausbildung in den 1960er Jahren gibt es heute bei der Polizei einen Handlungsspielraum, Verhalten ist immer individuell und muss auch individuell verantwortet werden. Frau Wedler-Krebs fasste die Zukunft der Polizei so zusammen: „Wir haben durch die Einstellungsoffensive eine große Anzahl junger und selbstbewusster Mitarbeitenden für die Polizei gewinnen können, deren Herz und Verstand wir für eine rechtsstaatliche, demokratische und wehrhafte Polizei gewinnen wollen. Wenn wir wissen, wo wir herkommen, dann wissen wir auch, wohin wir gehen und uns entwickeln sollten.“

Im Lehrsaal waren zwar nur wenige Gäste anwesend, dafür aber umso mehr vor den Laptops zu Hause oder an den Standorten der HfPolBW bei der Videoübertragung. Die digitale Zukunft war beim Studium Generale real, auch beim Betrachten von fast 60 Jahren alten Schwarzweiß-Fotos und bei Erzählungen, die tatsächlich aus einer anderen Zeit stammten… aber trotzdem auch (mit-)erlebt wurden.

Der Referent, Herr Michael Kuckenburg, forscht seit über sechs Jahren über die Nazi-Vergangenheit diverser ehemaliger (auch hochrangiger) Polizeibediensteter bei der Bereitschaftspolizei in Göppingen und das Wegsehen der damaligen Aufsichtsbehörden. Sein Buch

„Im Kriege glänzend bewährt“. Die Bereitschaftspolizei Göppingen 1951 bis 1968: die Vergangenheit ihrer (Unter-)Führer und die Folgen für Ausbildung und Umgangsformen am Beispiel der 5. Hundertschaft. Ein Beitrag zur Geschichte der baden-württembergischen Nachkriegs-Polizei.

ist derzeit in der Veröffentlichungsphase.

 

Beitrag: Andreas Beier, Fakultät IV

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